
„Sie war die erste Dame, der die Universität Berlin das Doctor-Diplom verlieh und die durch ihre Ausdauer in der Beseitigung der zahlreichen Schwierigkeiten und Bedenken, die gerade in Berlin der Zulassung von Frauen zum Studium entgegengestellt wurden, sich um die geistige Frauenbewegung in Deutschland ein großes Verdienst erworben hat.“
Zitat aus dem Berliner „Lokal-Anzeiger“ am 24.7.1902
In der Tat überwand Elsa Neumann (23.8.1872 – 23.7.1902) einige Probleme auf ihrem Weg zum Studium und während ihrer Berufsausübung. Ihr Physikstudium schloss sie 1899 an der Berliner Friedrichs-Wilhelm-Universität (heute Humboldt-Universität) erfolgreich mit der Doktorarbeit „Über die Polarisationscapacität umkehrbarer Elektroden“ ab.
Da es für Mädchen zu der Zeit keine Möglichkeit gab, das Abitur abzulegen, um zum Studium zugelassen zu werden, nahm Elsa Neumann neben ihrer Ausbildung an einer Mädchenschule privaten Unterricht in Naturwissenschaften bei Gymnasiallehrern. Außerdem bestand sie die staatliche Prüfung zur Lehrerin. In Göttingen studierte sie neben Physik auch Mathematik, Chemie und Philosophie. An der Berliner Universität wurde Elsa Neumann erst nach einer Ausnahmegenehmigung des Preußischen Kultusministeriums zum Studium und zur Prüfung zugelassen und musste von jedem einzelnen Professor eine Genehmigung einholen, um deren Vorlesungen hören zu können.
Nach ihrer Promotion arbeitete Elsa Neumann als Privatgelehrte, da Frauen nicht an staatlichen Hochschulen unterrichten durften. Sie führte ihre Forschungen in privaten chemischen Laboratorien fort, in denen ihr die Professoren Arthur Rosenheim und Richard Joseph Meyer einen Arbeitsraum zur Verfügung stellten.
Elsa Neumann konnte einflussreiche Physiker wie Max Planck und Emil Warburg von der Qualität ihrer Forschungsergebnisse überzeugen, die sich beide dafür einsetzten, die junge Naturwissenschaftlerin als erste Frau in die Deutsche Physikalische Gesellschaft (DPG) aufzunehmen.
Zudem war sie eine populäre Figur, da alle Zeitungen in positiver Weise über ihre Vorreiterrolle und ihren beruflichen Werdegang berichteten und die Entscheidung des Ministeriums, Elsa Neumann promovieren zu lassen, begrüßten. Zum Anlass der Überreichung ihrer Promotion erschien diese Zeichnung von Ewald Thiel, die diesen Moment festhielt.
Ihre Ausnahmeposition als erste Frau in der Gleichstellung der Geschlechter nutzte Elsa Neumann dazu, die finanzielle Unterstützung von Frauen in der Bildung zu fördern. Sie gründete 1900 den „Verein zur Gewährung zinsfreier Darlehen an studierende Frauen“ und war dessen 1. Vorsitzende und Ehrenpräsidentin.
Zu ihren weiteren Erfahrungen zählen außerdem ein Gasthöreraufenthalt am Cavendish Laboratory für Physik in Cambridge wie auch ein Flug im Zeppelin 1902 als Teil der wissenschaftlichen Mannschaft, die zur Luftfahrttechnik forschte.
Jedoch war ihr Lebensweg nur kurz; im Juli 1902 starb Elsa Neumann nach einem Unfall in ihrem chemischen Labor. Dennoch hat sie vielfältige Würdigung erfahren.
Nach dem Tod ihrer Tochter Elsa stiftete Anna Neumann den Elsa-Neumann-Preis, der von 1906-1918 jährlich für die beste universitäre Arbeit in Mathematik und Physik verliehen wurde.
Seit 2010 werden vom Land Berlin Stipendien und Sonderzuwendungen der vier Berliner Universitäten an besonders geeignete Nachwuchswissenschaftler*innen vergeben. Wir freuen uns, dass ein solcher Stipendiat zurzeit an unserer Schule tätig ist.
Link zur FU Berlin, Elsa Neumann Stipendium
https://www.fu-berlin.de/sites/drs/funding/nafoeg/index.html
2021 wurden Elsa Neumanns Leistungen im Rahmen der Ausstellung „Berlin – Hauptstadt der Wissenschaftlerinnen“ gewürdigt.
Link zur Ausstellung
https://www.bihealth.org/de/aktuelles/mediathek/hauptstadt-der-wissenschaftlerinnen
Link zur Bildtafel der Ausstellung
Wer sich näher für Elsa Neumanns Biographie interessiert, wird in Annette Vogts Buch
„Elsa Neumann – Berlins erstes Fräulein Doktor“ (1999) fündig.